Alles unter einem Dach
Neubau
Wohnhaus am Kollroth-Hof in Seelze-Velber
2017-2020
Dieses Objekt wurde von der Architektenkammer Niedersachsen für den digitalen Tag der Architektur 2020 ausgewählt.
Das Wohnhaus wurde in unmittelbarer Nähe zum Kollroth-Hof errichtet, einem historischen Vierständer-Fachwerkhaus im alten Dorfkern von Velber. Mit seinem wertvollen Baumbestand ist das Grundstück Teil eines denkmalgeschütztem Ensembles, auf das mit dem Neubau sensibel reagiert wird. Die Kubatur des Gebäudes folgt einem Prinzip des ländlichen Bauens in Niedersachsen: „alles unter einem Dach“. Ein langgestrecktes Satteldach überdeckt sowohl das steinerne Wohnhaus als auch die hölzerne „Scheune“, ein Nebengebäude mit Garagen-, Abstell- und Reserveflächen.
Zwischen die beiden Baukörper wurde in der Sichtachse zwischen Hofgebäude und Dorfkapelle eine Durchgangsfuge gesetzt, durch die die Baukörper erschlossen werden. Auch dies ist als Reminiszenz an die Dielenerschließung regionaler Langhäuser zu verstehen – wobei die Durchgangsfuge wiederum eine traufständige Platzierung des Baukörpers zur Straße hin ermöglicht. Mit dieser Ausrichtung wird die Anlage des Hofhauses mit dem „Langhaus“ zu einem stimmigen Ensemble ergänzt, zudem entsteht ein großzügiger Gartenbereich im Süden des Grundstücks.
Die Fassaden- und Dachmaterialien entsprechen denen der historischen Gebäude in direkter Umgebung, zeigen sich in ihrer Fügung aber schlicht und zeitgemäß. Der historische rotbunte Klinker des Wohnhauses harmoniert mit dem Farbspektrum der Fassaden der umliegenden Bebauung, die „Scheune“ erhielt eine Sichtlattung aus grau lasiertem Holz. Die Fensteröffnungen mit dunkelgrau lasierten Holzfenstern beschränken sich auf wenige Formate und ergeben zusammen mit den Klinker-Zierflächen eine harmonische Fassadenkomposition.
Die Straßenseite ist bewusst schlicht gehalten: Die Dachfläche kann, nur mit Dachfenstern versehen, in ihrer gesamten Länge wirken. Zwei Fassadenfensteröffnungen des Wohnhauses verbergen sich hinter einem Klinker-Gitterwerk, das die vorspringenden Köpfe der Zierfläche als Öffnungen fortführt. In der südöstlichen Giebelseite sind zwei Gebäudeeinschnitte angeordnet: die Loggia des Elternbereiches im Dachgeschoss und darunter die Terrasse des Wohnbereiches. Die südwestliche Traufseite ist geprägt von den großen Fensteröffnungen zur Terrasse und zum Garten und von der Flachdachgaube des Kinderbereiches, die mit der gleichen Sichtlattung wie die „Scheune“ bekleidet ist.
Im überdachten Durchgang ist eine Außentreppe ins Dachgeschoss angeordnet, ein Steg verbindet beide Gebäudeteile. So ist eine flexible Erschließung aller Ebenen möglich: Der direkte Zugang ins Dachgeschoss des Wohnhauses erlaubt eine spätere Teilung und wird in diesem Fall zum Eingang der Einliegerwohnung. Treppe und Steg binden die Abstell- und Reserveflächen im Dachgeschoss der Scheune an.
Das Wohnhaus ist in beiden Geschossen axial in Firstrichtung organisiert: bereits die großzügige Eingangsdiele im Erdgeschoss ermöglicht einen Durchblick über die gesamte Gebäudelänge. Hier sind die beiden Arbeitsräume angebunden, die zusammen mit dem Gäste-WC eine spätere Bürotätigkeit ohne Störung der Wohnnutzung erlauben.
Der Verzicht auf reine Erschließungsflächen im Erdgeschoss macht den zentralen Essbereich zur großzügigen Mitte des Hauses: hier kreuzen sich die Wege zwischen Arbeits- und Wohnbereich sowie zwischen Küche und Treppe ins Dachgeschoss. Die zum Essbereich offene und zur Straße hin orientierte Küche ermöglicht ein „Durchwohnen“ in der Querrichtung des Gebäudes. Den Abschluss der Raumfolge im Erdgeschoss bildet der Wohnbereich, der sich zur überdachten Terrasse hin öffnet. Über eine viertelgewendelte Treppe gelangt man ins Dachgeschoss. Die beiden Eckfenster am Treppenpodest sorgen für eine abwechslungsreiche Belichtung und eine zusätzliche Blickbeziehung in die Tiefe des Gartens. Über Dachfenster fällt zudem von oben Licht auf die Treppe und den daran anschließenden Essbereich.
Treppe und Längsflur teilen das Dachgeschoss in drei Bereiche: An der südöstlichen Giebelseite befindet sich der Elternbereich – ein Vorraum dient als Verteiler zwischen Schlafzimmer, Ankleide, Bad und Sauna. Das firsthohe Raumvolumen öffnet sich im Spitzboden zu einem seitlichen Galeriebereich.
An der nordöstlichen Traufseite zur Straße hin befinden sich Hauswirtschaftsraum, Gästezimmer und ein zweites Bad. Die beiden Kinderzimmer an der Südwestseite verfügen über eine breite gemeinsame Gaubenloggia. Diese beiden Räume könnten zusammen mit Gästezimmer und Bad durch einfache Teilung des Flures eine spätere Einliegerwohnung bilden. An der Eingangstür im nordwestlichen Giebel zum Durchgang weitet sich der Flur und schafft Platz für eine Treppe in den Spitzboden. Der Spitzbodenbereich ist als offene Spielgalerie konzipiert, kann aber auch als Stauraum genutzt werden.
Bauherr
privat
Wohnfläche
267 m²
Nutzfläche
108 m²
Primärenergiebedarf
36,9 kWh/(m²a)
Fotos: Klemens Ortmeyer